Alevi heißt Anhänger des Heiligen Ali (Schwiegersohn und Cousin des Propheten Muhammed) und jene, die das Handeln des Heiligen Ali für richtig befinden. Der Prophet Muhammed selbst hat dies zum Ausdruck gebracht, da er selber das Handeln des Heiligen Ali für richtig befunden hatte.

Mit dem Tod des Propheten Muhammed im Jahr 632 führten die Streitigkeiten um die rechtmäßige Nachfolge des Propheten zur Spaltung des Islam.

Das Alevitentum bildet neben dem Sunnitentum und Schiitentum eine eigenständige Glaubensgemeinschaft innerhalb des Islam. Sie bekennen sich zu Gott, dem Propheten Muhammed und dem Heiligen Ali. Die Glaubenslehre ist geprägt durch ein eigenes Koranverständnis und die besondere Verbundenheit zur Prophetenfamilie (Ehl-i Beyt).

Alevitinnen und Aleviten lehnen die Scharia (Gesetzeskodex im orthodoxen Islam) und die Sunna (Verhaltensformen und -techniken im orthodoxen Islam) ab. Die Verehrung der zwölf Imame (die direkten Nachkommen des Propheten) und die Beachtung ihrer Lehre gehören gleichermaßen zu den Glaubensgrundlagen, wie die Anerkennung sämtlicher Menschen als Schöpfung Gottes und Träger des göttlichen Lichts. Diese Gleichstellung birgt auch die Geschlechtergleichberechtigung in sich.

Alevitinnen und Aleviten beten in Cem-Häusern. Das gemeinschaftliche Gebet findet im Gottesdienst, genannt Cem (Versammlung), statt. Der Gottesdienst wird von einem Pir (Wegweiser, Lehrer) geleitet. Dieser Geistliche ist ein direkter Nachfahre des Propheten. Wird die geistliche Führung mit der erforderlichen Zustimmung der Gemeinde ausgeübt, so wird diese auch von den Gemeindemitgliedern mit Respekt anerkannt. Die Rituale des Gottesdienstes werden mit Achtung praktiziert und von der alevitischen Gemeinde gepflegt.

Im Cem wird in der jeweiligen Muttersprache gebetet und Frauen und Männer beten gemeinsam. Daher ist auch das Einvernehmen in der Cem-Zeremonie von besonderer Bedeutung, weil nach alevitischem Verständnis das gemeinschaftliche Gebet im Streitfall nicht möglich ist. Erst eine Wiedergutmachung oder Versöhnung gestatten den Beginn des gemeinsamen Gebets.

Das Gebetsritual „Semah“ hat einen sehr hohen Stellenwert innerhalb der alevitischen Glaubenslehre. Dabei wird dieses Ritual in Begleitung von Saz (Langhalslaute) und mystischen / religiösen Liedern von Frauen und Männern durchgeführt.

Des Weiteren findet das Fasten nicht wie im Sunnitentum oder Schiitentum statt, sondern erstreckt sich auf die Dauer von zwölf Tagen (in Anlehnung an die zwölf Imame) im Monat Muharrem, dem ersten Monat des islamischen Kalenders.

Nach dem 12-tägigem Fasten wird eine Aşure (Süßspeise) gekocht und als Symbol der Dankbarkeit unter Bekannten, Verwandten und Nachbarn verteilt und gemeinsam gegessen.

Das Alevitentum, wie man es heute kennt, wurde durch verschiedene alevitische Mystiker wie Sah Hatayi, Haci Bektas Veli, Yunus Emre usw. vom 13.-16. Jahrhundert beeinflusst.

Alevitinnen und Aleviten bilden nach den Sunnitinnen und Sunniten die zweitgrößte islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (etwa 80.000) und in der Türkei (etwa 20 Mio.). Jedoch anders als in Österreich ist der alevitische Glaube und die alevitischen Gebetshäuser (Cem Evi) in der Türkei bis heute nicht anerkannt.

Der alevitische Glaube ist stark vom Humanismus und Universalismus geprägt. Im Zentrum des Glaubens steht daher der Mensch als eigenverantwortliches Wesen. Wichtig ist das Verhältnis zum Mitmenschen. Das Alevitentum stellt jegliche Absolutheitsansprüche in Frage. Jede Religion, jeder Glaube hat seine Existenzberechtigung. Keine ist höhergestellt als die anderen. Deshalb lehnt das Alevitentum jegliche Missionarisierungsversuche ab und tritt für eine ethnische und religiöse Vielfalt in jeder Gesellschaft ein.